ARCHIV FÜR AUTOBAHN- UND STRASSENGESCHICHTE

Schrifttum | Projekt I/2017

Berliner Meilensteine in Hessen

1. Meilenstein an der A 66 Frankfurt – Fulda bei Neuhof/Fulda

An der Anschlussstelle Neuhof-Nord der A 66 im Bereich der B 40 steht ein ungewöhnlicher Meilenstein. Es handelt sich um einen Findling, der in erhabener Form einen stilisierten Berliner Bären und die Aufschrift „Berlin 470 km“ trägt. Das Denkmal wurde vom Bund der Berliner und Freunde Berlins (BdBFB KV Fulda) im Jahr 1966 errichtet. [2]

Da das Denkmal während der Bauarbeiten an der A 66 gefährdet erschien und eventuell umgesetzt werden sollte, hat die Frankfurter ‚Initiative Denkmalschutz für Berliner Meilensteine’ im Mai 2014 einen Antrag auf Denkmalschutz beim Landesamt für Denkmalpflege Hessen gestellt. Ein abschließendes Ergebnis steht noch aus. Zuständig ist Hessen Mobil Fulda. [3]

Fulda
Abb. 1: Meilenstein an der A 66, Anschlussstelle Neuhof-Nord
Foto © Thomas Ebert, Frankfurt am Main, Februar 2012


2. Meilensteine an hessischen Straßen

a) Meilenstein in Darmstadt

Der folgende Meilenstein mit der Aufschrift „BERLIN 523 km“ steht in Darmstadt an der Berliner Straße. Die Stadt hatte 1960 die Initiative für die Aufstellung des Steins ergriffen. Grundlage dafür war ein Empfehlungsschreiben des Deutschen Städtetags vom 30.8.1960. In zwei Magistratsbeschlüssen vom 16.9.1960 und vom 3.3.1961 wurde auch der genaue Aufstellungsort bestimmt.

Darmstadt
Abb. 2: Berliner Meilenstein in Darmstadt. Foto: © Hessen Mobil, 2013

Nach den Magistratsakten lieferte den Stein die Fa. Lüning und Sohn in Syke bei Bremen zum Preis von 203,40 DM. Er entsprach der bereits im Großen Brockhaus von 1958 erwähnten Normgröße. Als Aufstellungsort wählte man die Berliner Allee in der Nähe des Hauptbahnhofs, ca. 100 m südlich der Rheinstraße. Die Einweihung fand am 17. Juni 1961 zum Abschluss einer vorangegangenen „Gesamtdeutschen Woche“ statt. Offizielle Vertreter Berlins waren nicht zugegen, die Vertretung übernahm Otto Malke, 2. Vorsitzender des Darmstädter „Bundes der Berliner“. [4] Der Stein, Eigentum der Stadt Darmstadt, steht noch heute an der ursprünglichen Stelle, mittig ausgerichtet zwischen den Häusern 8A und 8B. Verantwortlich für seine fortdauernde Pflege ist vermutlich das Kulturamt, da hier seinerzeit alle Fäden für die Organisation zur Aufstellung des Steins zusammenliefen. [5]

Im Gegensatz zu der bei Berliner Meilensteinen üblichen Kilometrierung, deren Nullpunkt die Fahnenstange auf dem ‚Roten Rathaus’ in Berlin Mitte bildet, bezieht sich die Kilometerangabe des Darmstädter Steins auf den Autobahn-Nullpunkt der BAB 9 beim Abzweig vom Berliner Autobahnring. [6]


b) Meilenstein in Korbach

Ein Stein mit der Entfernungsangabe "Berlin 412 km“ befindet sich in der Ortsdurchfahrt Korbach an der Landesstraße L 3083 bei km 0,070. Er wurde anlässlich der Gedenkveranstaltung am 17. Juni 1959 auf dem Kreisverkehr des damaligen „Berndorfer Torplatzes“ in Korbach enthüllt. Initiatorin des Berliner Meilensteins war das Ortskuratorium „Unteilbares Deutschland“.

Der Meilenstein (Maße: H (über Spitze) 76 cm, B 47,5 cm, Tiefe 18 cm) entspricht nicht der genormten Vorgabe mit dem stilisierten Berliner Bären von Renée Sintenis, wie sie ab 1954 an den westdeutschen Autobahnen errichtet worden sind. Die Form mit dem zugespitzten oberen Abschluss ist ungewöhnlich.

Im Zuge der Umbauarbeiten am „Berndorfer Torplatz“ im Oktober 1979 ließ die Gemeinde den Bärenstein an seinen jetzigen Standort versetzten. Der ausführenden Künstler oder Steinmetz ist nicht bekannt. Für die Pflege des Umfeldes ist der städtische Bauhof Korbach zuständig Der BM wurde bisher noch nicht erneuert.

Korbach
Abb. 3: Berliner Meilenstein bei km 0,070 der L 3083, am Beginn der Brücke über das sogenannte „Korbacher Loch“
Foto: © Hessen Mobil, 2013

Der Stein steht derzeit noch nicht unter Denkmalschutz. Deshalb hat der Verein Berliner Bärenfreunde e.V. am 9. Juli 2013 einen entsprechenden Antrag beim Hessischen Denkmalamt gestellt. [7]


3. Zur Geschichte der Berliner Meilensteine

Die Idee für die Berliner Meilensteine hatte der Hamburger Verleger und CDU-Politiker, Gerd Bucerius. Er gehörte von September 1949 bis Februar 1962 dem deutschen Bundestag an und war während der ersten Wahlperiode 1949 – 1953 Vorsitzende des Berlin-Ausschusses. Seine Vorstellung ging dahin, auf allen Autobahnen im Abstand von jeweils 100 km einen Meilenstein zu platzieren. Die Mittel für die Aktion an den Autobahnen stammten aus dem Bundeshaushalt. Grundsätzlich sollten die vom Bund mit der Verwaltung der Autobahnen beauftragten Länder den Transport organisieren, das Fundament bauen und die Aufstellung durchführen. Bei der Ausweitung der Aktion auf die Bundes- und Landstraßen hatten die Kommunen hatten die Kosten für die Kilometerangabe und die Aufstellung zu übernehmen, doch gab es auch Ausnahmen von dieser Regel.

Der ehemalige Präsident des Bundes der Berliner und Freunde Berlins (BdBFB), Heico Last (1951 – 1998), nahm diese Idee sofort auf. Der BdBFB, mit tausenden von Mitgliedern in 160 Städten und Gemeinden Westdeutschlands vertreten, sorgte für die Verbreitung der als Solidaritäts- und Erinnerungszeichen verstandenen Meilensteine nicht nur auf den Autobahnen, sondern zusätzlich auch in den Städten und Gemeinden der Bundesländer. Der Begriff „MEILENSTEIN“ lehnt sich an die im früheren Preußen übliche Praxis an, die Postkutschenrouten mit Entfernungsangaben in (preußischen) Meilen zu versehen.

Das Meilenstein-Relief, ein das Berliner Stadtwappen symbolisierender, stilisierter Bär, schuf die Berliner Künstlerin Renée Sintenis im Jahre 1954. Als Vorlage nahm sie eine Bärenstatuette, die sie bereits 1932 geformt und in Bronze gegossen hatte. Ein Prototyp – ohne Kilometerangabe – ist in der Grünanlage vor der Renée-Sintenis-Grundschule am Laurinsteig in Berlin-Frohnau zu sehen Die Bären-Statuette von 1932, der sogenannte „junge Bär“, diente von 1953 bis 1959 als Siegestrophäe für die Berliner Internationalen Filmfestspiele. Ihm folgte 1960 ein neuer Berlinale-Bär, der sich aufgrund seiner markanteren Silhouette besser als Auszeichnung für ein hochrangiges Filmfestival eignete. Eine lebensgroße Fassung (Höhe 160 cm) dieses ‚Berlinale-Bären‘ wurde 1958 anlässlich des 70. Geburtstages von Renée Sintenis auf dem Mittelstreifen der heutigen A 115 bei Dreilinden nahe dem Zehlendorfer Dreieck aufgestellt. Zwei weitere Statuen dieser Art stehen in Düsseldorf (eingeweiht von Willy Brandt) und auf der Autobahn A9 bei München-Fröttmaning. [8]

Kolonade
Abb. 4 Die rekonstruierten südlichen Spittelkolonnaden und die Kopie der historischen preußichen Meilensäule an der Leipziger Straße in Berlin (Foto: www.wikipedia.org/Spittelkolonnaden)

Die Entfernungsangaben auf den alten preußischen Meilensteinen (Kilometersteinen) bezogen sich ursprünglich auf den „Nullpunkt“ von 1834, als der damalige Minister Rother „den Kandelaber auf dem Berliner Schlossplatz“ für Entfernungsmessungen bestimmte. Später setzten die Vermesser die Fahnenstange auf dem (roten) Rathaus als Nullpunkt fest. Die preußische Post berechnete ihre Fahrzeiten allerdings von der Hauptpost aus. Als Referenzpunkt für die Entfernungsangaben auf den „Berliner Meilensteinen“ wurde bewusst – obwohl in der „Hauptstadt der DDR“ gelegen – die Kopie der historischen preußischen Meilensäule vom ehemaligen Dönhoffplatz neben den rekonstruierten Spittelkolonnaden an der Leipziger Straße festgelegt. Die in diesem Zusammenhang häufig zu lesende Meinung, der Nullpunkt habe am Berliner Spittelmarkt gelegen, ist demnach falsch. Da jedoch alle drei „Nullpunkte“ nicht weit auseinander liegen, spielen die kleinen Entfernungsunterschiede keine Rolle. [9]

Spätestens mit der politischen Wende in der DDR verloren die „Berliner Meilensteine“ ihre Funktion. Ihre Bedeutung hatte aber schon im Kontext der westdeutschen Politik des „Wandels durch Annäherung" (an die DDR) in den 1970er Jahren nachgelassen. Ihre ‚Renaissance’ ist dem in Berlin ansässigen ‚Verein der Berliner Bärenfreunde e.V.’ sowie der von Herrn Michael Damm Frankfurt am Main, gegründeten ‚Initiative Denkmalschutz für Berliner Meilensteine’ zu verdanken. Diese Ehrenamtlichen haben inzwischen auf der ganzen Welt mehr als 300 ‚Bärensteine’ identifiziert und – sofern möglich – ihre Geschichte beschrieben. Zudem wurde für viele Meilensteine bei den zuständigen Behörden ein Antrag auf Denkmalschutz gestellt, da sie ‚Erinnerungsorte’ für die deutsche Teilung darstellen und insoweit von kulturhistorischer Bedeutung sind.

Das »Archiv für Autobahn- und Straßengeschichte« kooperiert in dieser Sache mit den genannten Institutionen und stellt auf seiner Website (www.strassengeschichte.de) nach und nach die Meilensteine an Autobahnen und Fernstraßen.

Es ist zu hoffen, dass die Straßenbauverwaltungen der einzelnen Bundesländer und der Kommunen die Berliner Meilensteine bei allfälligen Baumaßnahmen sichergestellen und in Abstimmung mit der jeweils zuständigen Denkmalschutzbehörde an einem geeigneten Ort wieder errichten.


Anmerkungen
[1] Der Verein ‚Berliner Bärenfreunde’ hat insgesamt mehr als 60 solcher MEILENSTEINE an Autobahnen und Straßen identifiziert, sofern möglich die Historie dazu erforscht und einen Teil unter Denkmalschutz stellen lassen. Wir danken an dieser Stelle Herrn Michael Damm, Frankfurt, für den Hinweis auf diesen Stein und das Copyright für die Fotografie.
[2] Siehe dazu Vereinszeitung des BdBFB, Bonn „Berliner Bär“ 1,2/1981, S. 7.
[3] Wir danken Herrn Michael Damm, Frankfurt am Main, für diese Informationen und die Zusendung Fotos.
[4] Stadtarchiv Darmstadt ST 24 Kulturamt Nr. 607 – Berliner Meilenstein.
[5] Mit Zustimmung von Christa Junge, Berliner Bärenfreunde, übernommener und leicht geänderter Text zum Darmstädter Berliner Meilenstein (www.berliner-baerenfreunde.de)
[6] Diese Information verdanke ich Herrn Michael Damm, Frankfurt am Main, Initiative Denkmalschutz für Berliner Meilensteine und Mitglied im Verein Berliner Bärenfreunde e.V.
[7] Stadtarchiv Korbach; Der Berliner Bär – Mitteilungen des Vereins der Berliner Bärenfreunde e.V., Nr. 52, III. Quartal 2013, Seite 16.
[8] Vgl. Stichwort „Berliner Bär“ bei http://www.wikipedia.org
[5] Information von Herrn Dipl.-Ing. Herbert Liman, Berlin, dem ich dafür herzlich danke.

 

© Reiner Ruppmann, Bad Homburg, September 2015, überarbeitet November 2016


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